9.3.08

Zwischen Kram und pf

Dass die Krämpfe nach dem Spitalaufenthalt weg bleiben würden, dachte ich wohl, gewissermassen nach-notfall-artig, in einem braven Glauben an die Nachhaltigkeit von schulmedizinischer Behandlung. As if. So fielen kürzlich die Worte ich verbringe die letzten Wochen zwischen Krämpfen und Kämpfen. Seufz. Immerhin niedlich, worauf sich das Wort Krampf reimt, besonders um den Jahreswechsel einer Arbeitgeberin. Wer erfand eigentlich den Bürokram? Und wurde er auch ordentlich dafür gehenkt? Pf!

Wenigstens war ich so seltener dem Hilflosigkeitsgefummel der mich umgebenden unmittelbaren Welt ausgeliefert, bzw. musste es seltener beobachten und bekopfschütteln, wie etwa die verkrampfte Stühlerückerei in den Cafés. – Innen so wie aussen. Bin ich denn vielleicht an der Welt um mich herum erkrankt…?

Nachdem ich schon das siebte Fläschchen Chakra 10-Tropfen geleert hatte, geschah mir die Frage, ob ich denn meine Krankheit jetzt besser akzeptieren könne. – Ich war derart platt, dass ich kaum den Kiefer wieder hochklappen konnte. Deswegen war ich doch gar nicht zur Behandlung gekommen, nein nein nicht Spital, diesmal, sondern alternativ, ganzheitlich. An so einer Krankheit gibt es nichts zu akzeptieren, bestenfalls lässt sich ein Leben um sie herum souverän gestalten, denn was heisst Akzeptanz eigentlich genau? Keiner der Grossartigen, die dieses Wort in den Mund nehmen, kann das umschreiben. So sind mir Menschen, die mich fragen, ob ich meine Krankheit akzeptiert hätte, ein Schrecken. Und vollendetes Grauen sind mir diese, die behaupten, sie hätten ihre Krankheit akzeptiert und seien nun glücklich. Das Ganze beruht also auf dem Missverständnis, dass man so etwas wie diese Krankheit (oder sonst eine happige) überhaupt akzeptieren könne. Die Menschen legen sich das so zurecht, um eine Erscheinung wie Behinderung irgendwie ins Leben einordnen zu können. Das Missverständnis geht jedoch noch viel weiter zurück. Vor Eintritt einer Krankheit stellte sich nie (jedenfalls nie wirklich wirklich wirklich) jemand die Frage, ob sie oder er oder man eine ernsthafte so Sache denn akzeptierte, stellte sie sich ein? Dass Krankheit grundsätzlich nicht akzeptiert wird, ist ein Gemeinplatz. Wieso sonst wird wegen jedem Zipperlein zum Arzt gerannt? Und um das Mass voll zu machen, sehr geehrte körperlich gesunde Leserin und sehr geehrter körperlich gesunder Leser, frage ich zurück: Akzeptieren Sie Ihre Gesundheit? – Nicht sehr sinnvoll, das. Ausser, dass die Erkenntnis zu dämmern droht, dass Gesundheit ein gopfertelli relativer Begriff ist. Schon wieder ein Gemeinplatz…

Auf die zweifelhafte Frage nach der Akzeptanz meines Zustandes hin erläuterte ich weiter, dass es im Grunde nie die Erkrankung war, an der ich litt, sondern das hysterische Getue und Gefummel der Menschen um mich, die ihrerseits ernsthaft an der Hilflosigkeit erkrankt sind, aber körperlich fit genug, um mir das Leben zu vergällen und sich auf jeden Fall nicht mit eigenartigen Sprüchen und Übergriffen in meine Privatsphäre zurückhalten. Zu erwähnen sind an dieser Stelle auch die Trägheit und der Unverstand von Institutionen wie etwa IV oder Krankenkasse, der knallharte Ausschluss (aus) der Wirtschaft/Arbeitswelt und das dümmlich-naive Gerede von Eingliederung und Gleichstellung seitens der Gesellschaft und der Kirche. – Okay, das war jetzt wieder ein Rundumschlag. Hat aber gut getan… – Es ist nun freilich eine sehr gewagte These: Meine „Krankheit“ soll nicht die Ataxie sein, sondern die Menschen um mich. Jedem ach so wohl und milde gestimmten Schulmediziner stehen hier die Haare zu Berge, ein Patient könne doch nichts für seinen Zustand und sei default-arm. Entmündigung und Enthebung aller Verantwortung sei kein Darniederstampfen (Darniederkrampfen?) des Werts als Person, sondern wohlwollende Entlastung. Überhaupt sollten Sottige-wie-ich froh sein und bitteschön das Maul halten. – Ein Buddhist würde wahrscheinlich einverstanden sein und mitfühlend tief in meine nystagmischen Augen sehen. Schon früher habe ich angedeutet, dass mir diese Haltung weitaus lieber ist – denn das ist Respekt vor meiner Person, das ist Wahrnehmung meiner Persönlichkeit. Die Gelassenheit tut mir gut. Freilich heule ich trotzdem, wenn ich krampfverbogen im Bett oder auf dem Boden liege und in meine Seite hechle wie eine Gebärende (es gibt übrigens tatsächlich Psychologen, die das Ereignis eines Krampfes dem einer Geburt annähern – nicht nur, was den Schmerz anbelangt). Und ja, wenn ich mich so krümme und stöhnend drum bete, dass der Anfall vorbeigehen möge, ist es in der Tat schwierig, das (da körperlich) als Illusion abzutun…

Immerhin rückt die Vermutung, dass in Tat und Wahrheit die andern Menschen meine Krankheit sind und nicht die Ataxie, das Konzept Akzeptanz in eine vernünftig greifbare Nähe. Akzeptiert sein können negative Dinge dann, wenn positive daneben stehen. Akzeptieren kann ich meinen weicheiigen Bürokollegen, wenn dafür alle andern Frauen und Männer im Team Kompetenz und Durchsetzungsvermögen besitzen. Akzeptieren kann man Köbi Kuhns Weggang, weil dafür Othmar Hitzfeld kommt. Akzeptieren kann eine Frau ihre zum erheblichen Teil unglückliche Ehe, weil die Existenz ihrer Tochter sie dafür entschädigt. Erdulden wäre hier allerdings allerdings der zutreffendere Ausdruck. Und genau deswegen ist die physische Ataxie nicht zu akzeptieren, weil sie ein körperlicher Schaden ist, dem auf Körperebene nichts wirklich Positives entgegenzusetzen ist (ausser natürlich, in meinem Fall, dass ich noch gut die Tasten auf meinem Laptop treffe, huaaahaha guter Witz). Erdulden kann ich manche Leute, weil meine Mutter neben mir steht, oder mein Vater, oder Ellen, oder Hubert, oder noch andere, die aber an zwei Händen abzuzählen sind.

Wie dieser Aufsatz abzuschliessen ist, bleibt offen. In der Nacht, nachdem ich ihn zu schreiben begann, vor fünf Tagen, wachte ich auf – weil mir nichts weh tat. Als ob mein Körper sein Glück nicht so recht glauben kann und ans Bewusstsein pöpperlet, um nachzufragen. Seit vielen Jahren schon bin ich eine glühende Anhängerin der UND-Verbindung und glaube, es ist nicht deswegen so, weil ich mich zweimal wöchentlich akupunktieren lasse, sondern vielmehr – und hier kann die geneigte Leserschaft ihren eigenen Schluss entwerfen.

7.3.08

Der Kanton Zug verlangt eine Gebühr von Fr. 100 für die Anstellung eines persönlichen Assistenten

Wäh, 6.3.2008 (di)

Aus dem hinterkrämpfischen Gruselkabinett ist eine Schar von Monstern entwichen. Die glitschigen, windigen oder haarigen Kreaturen haben sich in graue Stoffe gehüllt und versuchen auf diese Weise, ihr erschreckendes Wesen zu verbergen und ein gewähltes Unwesen zu treiben. Sie sitzen nun unauffällig in schönen und zentralen Gebäuden. Die Bevölkerung sei gewarnt. Es wird empfohlen, mittels Online-Banking alle offene Rechnungen möglichst kommentarlos innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen, um die aggressiven Gestalten (ugs. Scheffler) nicht zu reizen. Mutigere Mitbürger können allerdings Speckfallen aufstellen und die so eingefangenen, form(at)losen Erscheinungen bei der nächsten Kehrichtverbrennungsanlage abliefern.