4.9.08

Unendliche Geschichte – Teil I

Der Tragödie Hinterteil (oder: Kommunikation a.A.)

Seit Januar 2008 bekomme ich einen neuen Rollstuhl. An dieser Stelle muss ich bereits unterbrechen, aber das ist ja auch schon egal, wenigstens, was den Lauf der Dinge betrifft. Nicht, was den Stil der Dinge anbelangt, oh oh oh nein! Ein Aufrühren des Stils hat in diesem Zusammenhang geradezu metaphorische Dimensionen! - Also, die Briten haben da dieses Kontinuum, das sich sprachlich – hier freilich in der Übersetzung – wundervoll an die Geste lehnt und diese – in ihrer schmunzelnden Groteske – ebenso wundervoll wiedergibt: Seit Januar 2008 bin ich einen neuen Rollstuhl bekommend. Jawohl.

Das soll jetzt kein Anführen der ungezählten e-Mails, der zahllosen Telefonate und der millionenmilliarden Instanzen weiterer Kommunikationsformen werden, die hier zwischen der IV-Stelle, den Special Agents für heilloses Burcheinander (SAHB), der Orthopädie, meinen Assistenten, meinen Eltern und meiner eigenen erschreckenden und erschrockenen Wenigkeit in Naivität, in gutem wie in schlechtem Willen, in Sachlichkeit wie in Unzulänglichkeit, in politischer Idiotie wie auch sozialer Unsäglichkeit geführt, gebellt und gejapst wurden. Auch ist mir die Korrektheit der Chronik gleichgültig, der durchaus Genüge getan werden könnte, denn so hübsch geordnet bläht sich das hellblaue Klarsichtmäppchen, das seit Januar 2008, dem Monat, seit dem ich einen neuen Rollstuhl bekommend bin, Offerten, Verfügungen, Einsprüche, Argumente und weitere Dokumente den neuen Rollstuhl betreffend, den ich seit Januar 2008 bekommend bin, aufnimmt, bietet hinreichend Material dazu.

Im Januar ging meine Armbanduhr kaputt und das Bändeli meiner Ersatzuhr war so gozzlausig durchgewetzt, dass ich auch die nimmer anziehen konnte. So wurde mein Schmuckschmankerl, meine Fingerringuhr, zum Standard. Freilich dachte ich damals an überhaupt nichts weiter deswegen.

So unterschrieb ich mal die Erklärungen zur Vorfinanzierung, um die Sache mit meinem neuen Rollstuhl, Marke Otto Bock, zu beschleunigen. Auch würde mir die Orthopädie eine Sitzschale und eine Rückenschale kleistern.

Im Januar fuhr ich also per Handbetrieb in meinem alten Rolli rum, denn der Elektroantrieb war in Rebellion und ich wollte ihn, wieder tadellos funktionierend, an meinem neuen Otto Sock wiederfinden. Ich konnte also die Wohnung nicht allein verlassen. Aber das ist im Winter nicht sooo schlimm. Per Hand Fahren ist einfach nicht so lustig, wenn einen ein Krampf im Rücken in eine beträchtlich groteske Haltung zerdreht und man ins Bett sollte, und zwar schnell.

Februar. Mein Fixnetztelefon geht kaputt.

März. Geduldig in der Wohnung.

April! Otto rockt! Schalen probieren! E-fix wieder da! Frühling ahoi!! Nur leider ist das mitgelieferte Ladegerät für den e-fix defekt. Ich drohe mit einer Verzeigung wegen unterlassener Hilfeleistung, wenn das Ding nicht augenblicklich ausgetauscht wird – voller Erfolg! Zwar wird in ein paar Wochen auch dieses neue Ladegerät sterben, aber das weiss ich ja noch nicht und fühle mich erfolgreich bei meiner Kommunikationsführung.

Die Fussball EM kommt und mit ihr ein Flachbildschirm und der Cablecommat für digitale Wunderwelten. Dafür geht mein DVD-Player kaputt.

Zwischendurch dreht sich das Personalkarussell. Hubert macht sein Diplom an der ETH und verlässt mich und dabei verlässt mich wörtlich der gute Geist, der beste, der schlicht liebste, der mich ins Leben zurückführte und noch immer dort hält; an seine Stelle treten Mike und Protagonos; Sara musste ich entlassen. Ihre keinen Widerspruch duldende und doch unschuldige, aber absolute Lernresistenz werde ich wohl nie begreifen. An ihre Stelle trat Fiona aus dem Reich der Feen und Elfen…

(Wird fortgesetzt…)