28.9.08

Unendliche Geschichte – Teil IV:

Was du nicht willst, das man dir will, das willst auch kein’m – was willst’nn du?“ (Frei nach Otto Waalkes. Zu erkennen ist hier allerdings sehr wohl ein Ansatz des kategorischen Imperativs!)

Um es vorweg zu nehmen: Die Armbanduhr wurde repariert, das Fixnetztelefon heisst „Foni“ und kann sogar SMSen, das neue Schwedentörtchen ist TV-tauglich und der neue Drucker (den ich kaufen musste, weil mein Reibach Uralt nicht Vista-kompatibel ist) kann auch bunte Fötteli drucken. Die Wanduhr tickt wieder richtig und der neue Laptop gehört nicht zu der von Sony wegen falscher Verkabelung und resultierender Verbrennungsgefahr zurückgerufenen Serie. Hätt ja wirklich sein können. Dass ich mich verbrenne, sowieso. Doch das hab ich vor drei Monaten schon ausgiebig getan und vielleicht wird es den diversen boshaften Geistern auch irgendwann zu langweilig. Schliesslich haben sie sich genug amüsiert, als ich mir am neuen Schottenrock, den ich seit Januar 2008 bekommend bin, den Daumen blauquetschte. Vor ein paar Tagen kletzelte ich den letzten Rest Nagel ab und feile nun an der Resthässlichkeit rum.

Kommunikation also. Die am Albis. Ein Versuch:

Es gibt Dinge, die sich ganz und gar ausschliessen. Licht und Dunkelheit etwa, dieses Paar des ersten Schöpfungstages. Himmel und Erde. Wo das eine ist, kann das andere nicht sein. Entgegengesetztes.

Dann gibt es die Spezifizierungen, die diese Oppositionen bekräftigen, etwa totale Dunkelheit und helles Licht und solche, die imstande sind, diese Pole zu entkräften oder einander näher zu bringen, vielleicht erlöschender Himmel und dunkle Erde. Ach, das erinnert mich an Zeiten, als ich stundenlang über solchen Sätzen brütete, nur um sie wieder zu löschen, weil sie fehlerhaft sind, weil Tiefe fehlt, weil sie widerlegbar sind… Doch ich hoffe, dass Sie, geneigte Leserin, geneigter Leser, wissen, was hier gemeint ist. Gräuliches Schwarz. Schmutziges Weiss. Fassbare Weite. Zarte Nähe. Krieg und Frieden. Feuer und Wasser. Schalke und Dortmund.

Wissen Sie, ich stehe vor einem Phänomen, wofür mir eine sogleich erhellende, verdeutlichende Parallele fehlt. Behinderung scheint nämlich in Opposition zu ganz vielem zu stehen, beispielsweise zu Selbstbehauptung oder Durchsetzungsvermögen, nicht bloss zu einem einzigen Begriff, etwa Geschlechtlichkeit (räusper). Es kommt zudem auf den Kontext und auf die Perspektive an. So ist für manch einen Menschen mit Behinderung eine Qualität wie Selbstbehauptung etwas völlig Reales, während die Kombination Behinderung und Selbstbehauptung für manche Personen von zweifelhafter Autorität, beispielsweise Ärzte oder Beamte, irgendwie unvorstellbar ist und deshalb klar in Opposition stehen. Freundliche Selbstbehauptung stellt nun eine Spezifizierung dar, die so manche und manchen vollends aus dem Gleichgewicht bringt.

Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen“ meinte Konrad Adenauer.

Traurig! Und wie so vieles Traurige: wahr.

Dabei war ich gewiss alles andere als unfreundlich, als ich für die Orthopädie in schriftlicher Form festhielt, was ich monatelang lediglich mündlich erbeten hatte und dabei stets abgewimmelt wurde, nenei das isch scho guät so und jo wüssed Si am Schluss flutscht da dänn scho und jetzt flutscht aber rein gar nichts. Gott, wie liebe ich doch Fachleute und alle, die wissen, wie’s geht. Mündlich, freundlich, erfolgreich – Begriffe, die sich ausschliessen. Scheinz. Erfolgreich meine ich ganz unschuldig in dem Sinne, dass meine Wünsche gehört, ernst genommen und meiomei sogar umgesetzt werden! Von blond und Frau und erfolgreich will ich ja nicht reden, geschweige denn von blond und Frau und behindert und erfolgreich…

Als ich dann noch mit Argumenten, die ich mir keineswegs aus den Fingern gesaugt hatte, die selbstgefälligen, nichts spezifizierenden, nichts erklärenden Behauptungen aus dem Schreiben der Orthopädie relativierte, kam glatt das ganze Bad mit dem Kinde ausgeschüttet auf mich zurückgeklatscht – „…haben wir nicht bemerkt, dass Sie so unzufrieden mit uns und unserer Dienstleistung sind. Insbesondere A.B. dachte, dass Sie einen guten Draht (…) gehabt hätten. (…) nehmen wir die Sitz- und Rückenschale kostenlos zurück…“ Als ob das der Punkt wäre!! Und ich steh wie der Esel vor dem Albis. Solange ich also mitlächle im Gutdrahtspiel ist alles in Butter, nur meine Anliegen bleiben hinter den sieben Bergen liegen. Lass ich die sechs freundlichen Zwerge meine Anliegen an den Mann tragen, so bleiben sie aussen vor liegen – schick ich den siebten, den grummeligen, Zwerg, dann wirft Mann mir vor, Spielverderberin zu sein. Dabei war ich noch nicht einmal grummelig! Hab lediglich drauf bestanden, dass meinen Bedürfnissen endlich Rechnung getragen wird. Vielleicht auch kein Wunder, dass meine Persistenz als Unzufriedenheit interpretiert wird. Wäre meine unflätigen Wünsche nach rutschfähigem Material zum drauf Sitzen und Ausgleich der Beckenstellung von Anfang an Rechnung getragen worden, müsste ich nicht immer und immer wieder nachhaken. – Aber wieso lasse ich mich auch nicht gutdrahtig ruhigstellen, wie sich das für eine brave Behigrhmpf gehört. Was muss ich auch eine Sottige-wie-ich sein. Lästig.

Ein Freund meinte kürzlich, ich sei am Kämpfen. Wenigstens sei das das Wort, welches meiner Tätigkeit (und der so manch anderer Leute mit meiner Perspektive) am Nächsten komme. – Eigentlich mag ich dieses Kriegsvokabular nicht. Mein Leben ist mein Leben und Komplikationen sind eingeplant, viele viele, fürchterlich viele Komplikationen, doch ich lebe mein Leben durch und geh vorwärts, wenn auch oft schneckenlangsam und kämpfe nicht gegen jemanden, sondern handle mit ihm oder ihr etwas aus. Versuche es wenigstens.

Möglicherweise sind ja aber alle meine Überlegungen kreuzfalsch. Schliesslich sprühte ich mir kürzlich Trockenshampoo statt Haarspray an die Birne und merkte es auch nicht, mein Date lachte sich halb krumm und mein Umwerfend-schön-sein-versuch zerstieb in weissen Schuppen. Werde ich bloss alt und in meiner Wahrnehmung verknöchert?

Dann kommt Ellen und lässt ein Lichtlein bei mir aufgehen. Sie schreibt mir was von einem Mediationsschlussbericht, den sie noch zu schreiben habe und wegen dessen Fertigstellung sie mich diese Woche nicht sehen könne. Ich lese Meditationsschlussbericht und wundere mich zwar über den eigenartigen Begriff, denke aber nicht genauer drüber nach. Vielleicht ist ja das gerade der Punkt: Die Orthopädie liest, was sie sie lesen kann, was sie aus meinem Schreiben herauslesen kann. Nämlich, dass ich unzufrieden bin. Wahrscheinlich liest sie das, weil sie irgendwo ja weiss, dass ich Grund habe, unzufrieden zu sein. So falsch nicht… - Umgekehrt suche ich nach Anzeichen dafür, dass sich die Orthopädie über meine Wünsche und Anliegen hinwegsetzt, weil ich fraublondbehindert bin. Dabei ist die Orthopädie wahrscheinlich nichts als ein ganz normaler schweizerischer Dienstleistungsbetrieb mit unzulänglicher Kommunikation und der Auffassung, ein Kunde oder eine Kundin solle doch bitteschön nämlich froh sein, wenn man sie oder ihn bedient. Auch nicht so falsch…?

Jedenfalls ist die Kommunikation am Albis. Gefühle werden aufs Gegenüber projektiert und darauf wird dann beleidigt oder gekränkt oder dreiunddreissigmal zu nachdenklich reagiert.

Immerhin folgt jetzt doch noch ein Teil V der unendlichen Geschichte, weil ich jetzt nämlich in der Gegenwart angelangt bin und selbst noch nicht weiss, wie’s weitergeht. Aber – smile! – liebe Leserin und lieber Leser – wir werden uns schon durchsetzen…

(Fortsetzung folgt)

20.9.08

Unendliche Geschichte – Teil III:

Himmel, Albis, Zwirn

Es ist nicht zum zu Ende kommen mit der Geschichte vom Rollstuhl, den ich seit Januar 2008 bekommend bin. Diesmal lässt die Metapher aber Sternchen vor meinen Augen tanzen: Der September ist der neunte Monat! Der Bock Otto wird eine Waage! Was für eine Geburt erwartet mich? Wird die Orthopädie doch noch einen weichen Kaiserschnitt hinzaubern? Wie lange muss ich mich noch auf dem von Zangen deformierten Sitzkissen herumplagen? Und was wird die IV mit der sich so lästig und hartnäckig wehrenden D.I. anfangen? Denn ich bin ein Staatsfeind. Jaahaa! Eine Landesverräterin. Wer es noch nicht wusste: Auf hinterhältige Art und Weise sucht die D.I die sich durch die 5. IV-Revision gesundstossende Scheininvalidenversicherung (Invalidenscheinversicherung?) abzuzocken mit ihrem Otto Zock bzw. den Sitz- und Rückenschalen drauf. Sie will sich ungehörig bereichern und dem helvetischen Sozialwerk, auf das jeder anständige Bürger fraglos stolz zu sein hat, böswillig Schaden zufügen und nicht mithelfen, das Milliardendefizit des helvetischen Sozialwerks, auf das jeder anständige Bürger gefälligst stolz zu sein hat, effizient zu stopfen. In verwerflichster Manier erhebt sie nämlich wiederholt Einspruch gegen eine Verfügung, die anweist, Sitz- und Rückenschale der verbrecherischen Kranken seien nur zu rund drei Vierteln zu vergüten, der Restviertel sei von der heimtückischen DI selbst zu tragen. Das tönt nach eh nicht viel, ein Viertel, und ja, es ist auch mickrig, aber die Finanzsituation einer Sottigen-wie-ich ist sowieso nicht unmickrig. Es sind, wie immer, Fragen der Perspektive und der Relation.

Einer der Special Agents für heilloses Burcheinander (SAHB), ein Pitbull also an der Leine der IV, war im Frühsommer mal in meiner bescheidenen Bleibe, redete viel und ganz freundlich und vertrieb mich für ein paar Minuten von meiner diamantbesetzten Sänfte, um das reiche Polster zu beschauen, kurz, er „tat ja nur seine Arbeit“. Honny soit qui mal y pense. Jedenfalls ist das Knurren und Pfotenwetzen des Special Agents M. Wczrk, also dieses vortrefflichen Kampfköters, einer der Gründe, weshalb ich noch immer meinen beschalten bockigen Rollotto bekommend bin – denn bis das Verfahren nicht beendet ist, kann ich die Akten nicht ad acta legen.

Und ewig schreibt die DI. Die Namen sind hier freilich geändert:



EINSCHREIBEN

IV-Stelle Zürich

8005 Zürich

Betrifft: VERFÜGUNG bla bla vom Juli 2008


33. August 2008


Sehr geehrter Herr Soundso,


die Einwände und Erläuterungen von meinem Orthopäden, Hr. A.B. von der Orthopädie XY in Z., haben Sie bereits erhalten. Sie unterstreichen in technischer Hinsicht die EINSPRACHE, die ich mit diesem Schreiben noch einmal gegen die Verfügung der IV erhebe.

Bitte lassen Sie mich erwähnen, dass in den knapp 20 Minuten, in denen sich Herr M. Wczrk von der SAHB in meiner Wohnung aufhielt, sein Gesprächspartner überwiegend mein ebenfalls rumänischer Assistent war und die beiden sich einvernehmlichst über ihr Heimatland unterhielten. Einige Minuten waren dem Pilotprojekt „Assistenzbudget“ gewidmet, bevor dann etwa fünf Minuten lang meine Sitzorthesen begutachtet wurden, die sich zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht im definitiven, bleibenden Zustand befanden, sondern noch in der provisorischen Phase meines Ausprobierens. Mein Assistent, Medizinstudent im vierten Ausbildungsjahr, wunderte sich über den selbstgefälligen Schnellstablauf dieser „Inspektion“ und bedauert schon längst den in praktischer Hinsicht ganz ungerechtfertigten Entscheid der IV, der mir als Betroffener und weiss der Himmel am wenigsten Verantwortlichen in diesem traurigen Finanzkarussell so viel Kummer bereitet.

Hr. A.B. hat Stunde um Stunde um Stunde an meinen Orthesen vollkommen fachgerecht (wie seit vielen Jahren) gearbeitet und an mir persönlich monatelang eine um die andere individuelle Anpassung vorgenommen. Es besteht überhaupt kein Zweifel, welchem der beiden Herren und wessen Beurteilung mehr Bedeutung zugeschrieben werden soll.

Ich bitte Sie höflich und aufrichtig um Beendigung dieser eigenartigen Geschichte, die zwar auf einem verständlichen, doch in diesem Zusammenhang gänzlich deplatzierten finanziellen Abschiebeversuch der IV beruht (Abschieben der Kosten auf mich). Die rund Fr. 1700, welche die IV einzusparen gedenkt, sind mehr als meine monatliche Rente. Herr Wczrk wird sich stolz ein Schokoladeeis am Stiel kaufen können und die IV, ja, ist damit gewiss aus dem milliardenschweren Finanzdefizit raus. Bloss, wie ich den Betrag berappen soll…? Das Goldmariechen heisst Marie, nicht D.I. …

Ich BRAUCHE diese Orthesen, und zwar genau so, wie sie sind. Ist es denn nicht Aufgabe der IV, Menschen wie mich weitestmöglich zu unterstützen? Das Ganze macht mich im Fall total fertig.


Mit freundlichen Grüssen,


die Sottige selbst


Beim Verfassen dieses dritten Teils meiner Septemberquadrologie, gut vierzehn Tage nach Aufgabe dieses Schreibens, stand eine Antwort noch aus. Vermutlich werde ich aber in wenigen Wochen schon eine Eingangsbestätigung erhalten.

Der vierte und vorerst letzte Teil der unendlichen Geschichte soll sich auf den Titel der ersten Folge beziehen und unter die Lupe nehmen, was es mit einer Kommunikation am Albis für eine Bewandtnis hat. Das ist nämlich der andere Grund, weshalb das Bekommen des Zottelschocks, das im Januar des Jahres 2008 im dritten Millenium abendländischer Zeitrechnung begann, noch immer nicht abgeschlossen ist.

(Wird also noch einmal fortgesetzt…)


11.9.08

Fortsetzung: Unendliche Geschichte – Teil II:

Sturz ins Unbenennbare

Putzfrauen. Also das ist so: Denken Sie sich Ihren kleinsten kohärenten Bewusstseinszustand und dividieren Sie diese graue Grösse durch 100. Verflüssigen Sie die Masse und lassen Sie sie durch einen Umgänglichkeitsfilter sickern. Das Ergebnis wird Ihnen möglicherweise von feeeeeeeern den IQ einer Putzfrau andeuten. – Seit April nun schlage ich mich mit Kandidatinnen rum. Dabei war die mit dem osteuropäischen Akzent immerhin noch zu einem wirklich lustigen Witz gut, denn das eigenartige, kehlige Geröchel erwies sich als unschuldigster Walliser Dialekt. Dass sie aber dachte, nach viel schmeichelhafter Putzerei und putziger Schmeichelei könnte ich mich doch mit Schwarzarbeit ihrerseits anfreunden? Auch betrachtete Sie mich als Bancomat, der per SMS aktiviert werden kann und auf die Schnelle einen schwarzen Hunderter locker macht. Well well well. Dafür lerne ich haufenweise Frauen aus fremden Kulturen kennen und kann meine Spanischfetzen und mein arg geschrumpftes Italienisch anbringen. Che razza di servitú in questa casa!!

Zurück zum Otto Cock, den ich seit Januar bekommend bin.

Um es zu verdeutlichen (denn einige Leser verstehen es nicht): Den Rolli plus e-fix plus Sitz- und Rückenschalen habe ich seit April, erst im rohesten Zustand, dann nur noch roh und alle paar Wochen bissl aufbereiteter – nur in der Tat noch immer nicht fertig…

Die Verfügung der IV für den Oberpflock (diejenige für die Orthesen wird separat kommen) deckt einen bissl kleineren Betrag als den in der Offerte der Orthoplädie plädierten. Das merk ich nicht einmal. Welcher

M E N S C H

käme denn schon auf die Idee, dass mir irgendwas an meinem Rolli nicht zugestanden würde? Für die goldbeschlagenen Kotflügel und die mit eingewobenen Perlen bestückte Seidenbespannung meines von unsäglichem Neid umwölkten Throns lass ich meine Assistenten umso härter arbeiten. Aber die IV, die, ja die spaaahrt. Nämlich. Jawoll. Pflichtbewusst. Gezielt. Effektiv!

V E R N Ü N F T I G!

- Und so werden die Schiebegriffe nicht vergütet. Weil der Lottoblock nämlich einen Elektroantrieb hat. Jawoll. So entscheiden pflichtbewusste Menschen, die in einer effektiv arbeitenden Behörde vernünftige Überlegungen anstellen.

Eine Freundin meinte kürzlich, es sei so still um mich geworden. Das ist schlicht die Folge von solchen alle Phantasie und alles Leben ausradierenden Idiotien, die nichts, nichts, NICHTS Erfreuliches bewirken. Nicht UM mich ist es stiller geworden, sondern IN mir, als Spiegel der vollendeten Miesepeterei einer No-fun-organization, die wiederum Spiegel der helvetischen Verzückung ist.

Mein Handy geht kaputt. Das ist jetzt aber wirklich nimmer lustig, denn mein Fixnetztelefon liegt ja noch immer brach und ich kann keine Hilfe mehr rufen! So kauf ich bereits am nächsten Tag so ein elektronisches Schwedentörtchen. Zur Gebrauchsanleitung des Cablecommaten gesellt sich eine vom neuen Handy. Dort speichere ich als Erstes die Nummern meiner Nachtassistentin und meiner Nachbarin.

Übrigens werde ich langsam nachdenklich. Welch eine kaputte Serie! Dafür scheint sich mein Rücken zu stabilisieren. Seit Wochen habe ich keine Krämpfe mehr, die Umstellungsschmerzen wegen der neuen Sitzposition gehen zurück und die Akupunktur wirkt echt Wunder. Eine konstante Medikation von Muskelrelaxantien kann von einer gelegentlichen abgelöst werden. Die Haschischmilch trink ich aber weiterhin, denn die schmeckt so gut.

Mein Laptop geht kaputt. Volltot. Reanimierung ausgeschlossen.

Die Löhne werden zu spät ausbezahlt, Arbeitsrapporte auf Papyrus gekritzelt, Lohnabrechnungen in Stein gemeisselt. Ein neuer ist teuer (das reimt sich ja!). ToshibaSonyMacHP? InterDiscountManorBahnhofstrasse. Zu Gebrauchsanleitung von Cablecommat und Schwedentörtli gesellen sich Stapel von Installations-CDs, Handbüchern und Quickstartanleitungen. Wieviel Zeit man dann verbringt mit Hintergrundanpassung und Sicherung einstellen und Vista lernen und der Installation von allem, was unter XP lief und jetzt aber nur noch stolpert und Synchronisieren mit Handy und und und wissen alle von der Ratio geküssten Menschen, also alle ausser die, die glauben, ein Rolli mit kaputtem Elektroantrieb müsse nie geschoben werden.

Sogar meine Wanduhr bleibt stehen.

Aber auch das ist egal. Der ganze Ärger zerfällt zu einem belanglosen Nichts. Ich muss Kafka einschläfern lassen. Der kleine Kerl ist hoffnungslos krank. Stundenlang vergrab ich mein Gesicht im leblosen, noch immer nach Vanille duftenden Pelz, bis der Kurier vom Krematorium meinen kleinen Prinzen abholt und mich einer neuen Ordnung überlässt. Einer ganz leeren.

Die Werte verschieben sich.

Kaputte Geräte, neue Geräte – nicht viel mehr als Zeitaufwand.

Die IV. Weniger wichtig als der Name kurz ist. Wörter, Wörter, Wörter. Nichts als ein Haufen Ausserdinglichkeit. Betrifft nicht die Seele. Keine Freude, keine Lebendigkeit. Noch nicht einmal Vernunft. Ein Hilfsmittel, eine Krücke. Spiegel der helvetischen Gesellschaft: Das, was man nicht sehen will, aber doch unterstützen muss, allerdings auch nicht wieder so sehr. In der Dreifaltigkeit nur gerade Körper, im Spiegel aber (ironischerweise) Geist und Seele.

Ach geht mir doch weg mit eurem leichenmodrigen Geiz. Liebe Menschen werden meinen Rollstuhl auch ohne eure Griffe schieben.

(Wird fortgesetzt…)

4.9.08

Unendliche Geschichte – Teil I

Der Tragödie Hinterteil (oder: Kommunikation a.A.)

Seit Januar 2008 bekomme ich einen neuen Rollstuhl. An dieser Stelle muss ich bereits unterbrechen, aber das ist ja auch schon egal, wenigstens, was den Lauf der Dinge betrifft. Nicht, was den Stil der Dinge anbelangt, oh oh oh nein! Ein Aufrühren des Stils hat in diesem Zusammenhang geradezu metaphorische Dimensionen! - Also, die Briten haben da dieses Kontinuum, das sich sprachlich – hier freilich in der Übersetzung – wundervoll an die Geste lehnt und diese – in ihrer schmunzelnden Groteske – ebenso wundervoll wiedergibt: Seit Januar 2008 bin ich einen neuen Rollstuhl bekommend. Jawohl.

Das soll jetzt kein Anführen der ungezählten e-Mails, der zahllosen Telefonate und der millionenmilliarden Instanzen weiterer Kommunikationsformen werden, die hier zwischen der IV-Stelle, den Special Agents für heilloses Burcheinander (SAHB), der Orthopädie, meinen Assistenten, meinen Eltern und meiner eigenen erschreckenden und erschrockenen Wenigkeit in Naivität, in gutem wie in schlechtem Willen, in Sachlichkeit wie in Unzulänglichkeit, in politischer Idiotie wie auch sozialer Unsäglichkeit geführt, gebellt und gejapst wurden. Auch ist mir die Korrektheit der Chronik gleichgültig, der durchaus Genüge getan werden könnte, denn so hübsch geordnet bläht sich das hellblaue Klarsichtmäppchen, das seit Januar 2008, dem Monat, seit dem ich einen neuen Rollstuhl bekommend bin, Offerten, Verfügungen, Einsprüche, Argumente und weitere Dokumente den neuen Rollstuhl betreffend, den ich seit Januar 2008 bekommend bin, aufnimmt, bietet hinreichend Material dazu.

Im Januar ging meine Armbanduhr kaputt und das Bändeli meiner Ersatzuhr war so gozzlausig durchgewetzt, dass ich auch die nimmer anziehen konnte. So wurde mein Schmuckschmankerl, meine Fingerringuhr, zum Standard. Freilich dachte ich damals an überhaupt nichts weiter deswegen.

So unterschrieb ich mal die Erklärungen zur Vorfinanzierung, um die Sache mit meinem neuen Rollstuhl, Marke Otto Bock, zu beschleunigen. Auch würde mir die Orthopädie eine Sitzschale und eine Rückenschale kleistern.

Im Januar fuhr ich also per Handbetrieb in meinem alten Rolli rum, denn der Elektroantrieb war in Rebellion und ich wollte ihn, wieder tadellos funktionierend, an meinem neuen Otto Sock wiederfinden. Ich konnte also die Wohnung nicht allein verlassen. Aber das ist im Winter nicht sooo schlimm. Per Hand Fahren ist einfach nicht so lustig, wenn einen ein Krampf im Rücken in eine beträchtlich groteske Haltung zerdreht und man ins Bett sollte, und zwar schnell.

Februar. Mein Fixnetztelefon geht kaputt.

März. Geduldig in der Wohnung.

April! Otto rockt! Schalen probieren! E-fix wieder da! Frühling ahoi!! Nur leider ist das mitgelieferte Ladegerät für den e-fix defekt. Ich drohe mit einer Verzeigung wegen unterlassener Hilfeleistung, wenn das Ding nicht augenblicklich ausgetauscht wird – voller Erfolg! Zwar wird in ein paar Wochen auch dieses neue Ladegerät sterben, aber das weiss ich ja noch nicht und fühle mich erfolgreich bei meiner Kommunikationsführung.

Die Fussball EM kommt und mit ihr ein Flachbildschirm und der Cablecommat für digitale Wunderwelten. Dafür geht mein DVD-Player kaputt.

Zwischendurch dreht sich das Personalkarussell. Hubert macht sein Diplom an der ETH und verlässt mich und dabei verlässt mich wörtlich der gute Geist, der beste, der schlicht liebste, der mich ins Leben zurückführte und noch immer dort hält; an seine Stelle treten Mike und Protagonos; Sara musste ich entlassen. Ihre keinen Widerspruch duldende und doch unschuldige, aber absolute Lernresistenz werde ich wohl nie begreifen. An ihre Stelle trat Fiona aus dem Reich der Feen und Elfen…

(Wird fortgesetzt…)