18.2.07

Definitionen

Ein Freudenhaus ist ein Haus, das der Mehrung von Freuden dient. Ein Krankenhaus ist ein Haus, das der Mehrung von Kranken dient.

Nein stopp, das kann ja nicht stimmen.

Ein Freudenhaus ist ein Haus, das der Produktion von Freuden dient. Ein Krankenhaus ist ein Haus, das der Produktion von Kranken dient.

Also das wird ja immer schlimmer -

Ein Krankenhaus ist ein Haus, das der Abschaffung von Krankheiten dient. Ein Freudenhaus ist ein Haus, das der Abschaffung der Freuden dient.

Grmblzfix…! Eins ist jedenfalls klar: Ins Freudenhaus kommen wenig Kranke, und ins Krankenhaus kommt selten Freude…

Um Mitternacht landete ich auf dem Notfall, was halt Sottigen-wie-mir ab und zu passiert. Selbst Assistenten sind in gewissen Situationen machtlos, aber sie rufen Hilfe. Auch versprach Anne, sich um den verstörten Kafka zu kümmern… Als um halb fünf, trotz aller Erleuchtung auf der Notfallstation, noch keine Diagnose feststand, wurde ich auf die Bettenstation verlegt, wo mir dann noch zwei Stunden zum schnellen Intensivschlafen gewährt wurden. Im Laufe des Vormittags, so wurde ich informiert, würde man mich in die Röhre schieben und ein knuspriges Semmeli aus mir backen. Dann könne ich nach Hause.

Liebe Angestellte des Bundesamtes für Ausgewogenheit, Rationalisierung und Fernunft (BAARF!!): Für zwei (deux/due/two/dos/dva) Minuten Röhre war ich zwölf (douze/dodici/twelve/äh/dvanest) STUNDEN im Spital. Hab Frühstück, Mittag- und Abendessen verspeist und musste mich mit Händen und Füssen gegen die Annahme der Pflegenden, eine weitere Nacht hier zu verbringen, stemmen, eine Anstrengung, die mich noch jetzt, Tage danach, schier litzt. Komma, Komma, Koma? Dies nur als Zwischenbemerkung zum Thema Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

Am Morgen, so um acht, rollte ein Wagen mit einem auf Hüfthöhe montierten Tablar ins Zimmer, drauf ein Laptop und dahinter eine konzentrierte Dame in Weiss. Nach ein paar Doppelklicken wusste sie, wie ich heisse und was mir fehlt bzw. was ich hab.

Hm.

Von Ernährungstechniken der Postmoderne haben sie keinen, keeeeeeiinen!! Schimmer! Paniertes Schweinsschnitzel! Ein Epitom eidgenössischer Essensunkultur: Birchermüesli und Kaffee am Abend! Wie war das mit der Definition von ‚Krankenhaus’…?

Also um es deutlich zu machen und denjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die mich als zynische Unke wegräumen wollen: Für die intravenösen Schmerzmittel auf dem Notfall bin ich unendlich dankbar. Die durchwegs absolut freundliche Erscheinung von Arzt- und Pflegepersonal und jegliches (jegliches!) Fehlen rechthaberischer Besserwisserei haben mich tief beeindruckt. Auch haben diese Menschen mir zugehört!!! und nicht ziellos herumgehudelt (was noch vielerorts als ‚helfen’ gilt). Dass keine Diagnose gestellt werden konnte, kein Grund für meine Krämpfe und erst der nette Herr auf dem Notfall wusste, was eine Ataxie ist, sei nur leise dahingeunkt…

Kran-ken-haus, das; ein Gebäude, in dem Kranke liegen.

Freu-den-haus, das; ein Haus, in dem Prostitution betrieben wird.

- - Ich betreibe mich jetzt ins Bett - - Alles klar?

11.2.07

Unterbruch

Das war jetzt eine entschieden zu lange Pause seit meinem letzten Blogeintrag. Gozzeidank setzt mir hier keiner eine Frist von zehn oder zwanzig oder 31 Tagen netto oder pestert mich mit Anrufen, wo denn mein Fragebogen sei (den abzuschicken ich am letzten Tag der Frist die Stirn hatte, und dann erst noch mit B-Post). Ein Ereignis, das sich etwa so abspielte:

Anruferin (eine junge Frauenstimme): Jo grüezi, ich lüütenaa im Uuftrag vo de… [hier hörte ich bereits nicht mehr hin und konstruierte schon die passende Antwort dahingehend, dass man mich nicht auch noch auf dem Handy mit Werbe- und Umfrageanrufen belästigen soll] … … Pilotprojäckt… … öb Si de Froogebogä nöd bis am … iischicke chönnted.

Ich: Ja den habe ich vorgestern abgeschickt.

Lange Pause

A: Ich lüütenaa im Uuftrag vo de…

Ich: Ja ich hab Sie schon verstanden, vor zwei Tagen habe ich das schon gemacht!

Wieder Pause, aber nicht mehr so lang

A: Ich lüütenaa im Uuftrag vo de…

Ich: Haaaaaalloo! Haaaaaaalloo!! Stopp stopp stopp stopp!! – Ich – hab – den – Fragebogen – vorgestern – abgeschickt – …

A: Ah dänn isch jo guet…

[Höfliche, erleichterte, freundliche Abschiedsfloskeln]

Dass man mich nicht gut versteht und schon überhaupt nicht gut versteht, wenn man mich noch nie gesehen hat, weiss ich ja, versteh ich ja. Dass ich mich nicht des Schwiizerdüütschen bediene, erleichtert diesen Umstand auch nicht grad. Dass ich es sagen soll, wenn ich etwas brauche, hab ich schon myriadenfach gehört und weiss es ebenfalls (wenngleich nicht deswegen). Dass das aber nur für mich zu gelten habe, versteh ich wirklich nicht. Echt nicht. Weshalb ist es so unermesslich schwierig, mir zu sagen „Entschuldigung, ich hab Sie nicht verstanden, können Sie das bitte noch einmal sagen?“. Nein, der Spiess wird umgedreht, denn es wird davon ausgegangen, dass ich Doofie nichts verstanden habe. Sogar hier im Pilotprojäckt. Dass Höflichkeit und Freundlichkeit den Ton angaben, tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache. – Ach, ich werd wieder zynisch. Eine kürzlich verlorene Freundin würde sagen, ich klinge so verbittert. Sie weiss nicht, wie es sich anfühlt, solchem Unverstand (Unverständnis?), ja schierer Umdrehung, der Sachverhalte wieder und wieder zu begegnen. Wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder und wieder. Wie nicht anders zu erwarten: Das ermüdet. Was nicht das Selbe ist wie: Es verbittert mich. Ach, es ödet nur an. Langweilt. Ist zum Hörer Aufhängen.

Doch ich drifte ab. Zu meiner langen Pause:

Irgendwann Anfangs Dezember klemmte ich mich hinter Annes Festanstellungsvertrag. BVG. Krankentaggeld. E-Mail, Anfrage, Formulare, Unterschriften, knapp 348'764 ungefähr. Paritätskommission (1 Arbeitgebervertreterin: ich – 1 Arbeitnehmervertreterin: Anne). Police, Rückfrage, Korrektur: nächstes Formular. Usw. Reprint.

Dann Weihnachten. Mit Geschenken und allem. Das will ja auch organisiert sein... Längst sind sie vorbei, die Zeiten der Unbeschwertheit beim Frohen Fest…

Dann schlich ich mich an die vom Pilotprojäckt vorgeschlagene Lohnabrechnung an und wägte ab: Was gibt mehr zu tun, die eigene, vor einem Jahr von Händsche gelismete Lohnabrechnung zu ändern oder alle Arbeitsverträge neu zu schreiben? So rechne, rechne und rechne ich und schreibe um: Saras Arbeitsvertrag, Corinnes Arbeitsvertrag, Matteos Arbeitsvertrag, Filomenas Arbeitsvertrag und gestalte die Lohnabrechnung für alle. Für alle berechne ich die Lohnnebenkosten. Korrigiere sie. Korrigiere sie wieder. Und noch einmal… Ich sitze und rechne und veranschlage.

Und dann Prosit Neujahr!

***
Hinter den Papierhaufen raschelte geheimnisvoll die Jahreslohnabrechnung. Es stritten sich zischelnd die Lohnausweise mit den Arbeitsrapporten. Lustig flitzte die Kopie einer Beitragsverzichtserklärung um die Ecke und landete frech auf dem Januarfragebogen des Projäckts, den wir, worauf wir nie, auf gar keinen Fall, ja nicht in Hundert Jahren! von alleine gekommen wären, in mehreren Arbeitsgängen ausfüllen würden. Zwischen diesen Arbeitsgängen marschierten die tapferen Unterschriftenbögen fürs Referendum gegen die 5. IVG-Revision auf, warfen sich mutig, paradox, in die Schlacht um die Revision der Ergänzungsleistungen, über deren Glanz zögerlich, doch unausweichlich, die Morgenröte der Steuererklärung aufzog.

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Das lustige Zigeunerleben nimmt sich traurig aus im Vergleich zum Jahreswechselleben eines Arbeitgebers! Ausserdem wirft diese Geschichte auf wundervolle Art und Weise einen Blick auf Verständnis bzw. Missverständnis des Begriffs Behinderung: Behinderung ist nicht das, was unsereins an Beinen, Armen, Augen oder weissnichtwo fehlt, sondern das, was einem – egal, wie man nun ausschaut – unnötigerweise zwischen „die Beine“ geknüppelt wird. Wie etwa eine unsäglich verkomplizierende Bürokratie.