21.10.07

CONCORDANZ!!

Es ist 13:26 Uhr und ich merke grad, dass mein Geschreibsel zufälligerweise ganz wunderbar in das heute, dem 21.10.2007, wirklich wichtige Geschehen passt. Es geht um die Konkordanz der Parteien und ich schreibe einen Brief an die CONCORDIA, meine Krankenkasse. Eintracht, Einigkeit, auch Harmonie und Einklang, sagt mein Wörterbuch Latein. Mit träumte heut Nacht doch tatsächlich, ich lese eine Schlagzeile, die meint, die Schweiz nähere sich tendenziell der Europäischen Union an. Na mal schauen, wie prophetisch meine Träume sind!

Weit weniger traumhaft ist das Dreckchen, das mir von meiner Krankenkasse kürzlich in die Wohnung gekackt wurde. Mein Mund- (bzw. Finger-) werk möge mir verziehen werden… Es ist das einzige Mittel, mit dem ich mich seelisch über derartige Unsäglichkeiten hinwegschleppen kann. Soooiifz!

Hier, bitte:

EINSCHREIBEN
CONCORDIA Krankenversicherung
Direktion
Bundesplatz 15
6002 Luzern

22. Oktober 2007

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor einigen Tagen erhielt ich aus Ihrer Kunden-Debitoren-Abteilung einen einigermassen wunderlichen Brief. Auf einen Prämienausstand wurde ich aufmerksam gemacht. Auf einen Prämienausstand, zurückzuführen auf Ihren eigenen Fehler, vermutlich ein unzulängliches Computerprogramm, das es nicht bemerkt, wenn Sie per LSV einen zu kleinen Betrag einkassieren (wie das passieren kann, ist mir als u.a. gelernter EVD-Programmiererin ein vollkommenes Rätsel). Der ausstehende Betrag von CHF 233.75 ist vom Juni. Nicht 2007. Auch nicht 2006. Sondern 2005.

Als ich den Brief bekam, dachte ich erst an eine Nepper-Schlepper-Bauernfänger-Falle irgendeines fragwürdigen Individuums, das sich sträflicherweise einen bekannt guten Namen überstülpt, um ein paar Dumme, die sich ja immer finden, zum Einzahlen absurder Beträge zu bewegen. Mittlerweile bin ich jedoch von der bedauernswerten Echtheit des Schreibens überzeugt.

Sollten Sie in der Lage sein, mir einen Auszug der gesetzlichen Grundlage, auf der Ihre Forderung beruht, zukommen zu lassen, werde ich mich den Tatsachen freilich beugen. Mir klingen einfach nur die Echos von Ausdrücken wie Verjährung und Nicht mein Fehler!! in den Ohren.

Des Weiteren stellt sich auch die Frage, ob eine derartige Forderung an eine IV-Bezügerin und auf Ergänzungsleistungen angewiesene langjährige Kundin Ihrer Institution von sonderlicher ethischer Grösse ebendieser Institution zeugt. Angesichts der Tatsache, dass ich seit mehreren Jahren mit persönlicher Assistenz lebe und seit 2006 am (bundesrätlich protegierten) Pilotprojekt Assistenzbudget teilnehme, Ihnen also Spitex-Kosten von mehreren Hundert Franken monatlich erspart habe, bisher also zig Tausende von CHFs insgesamt, möchte ich Ihnen das Wörtchen Kulanz nahe legen und Sie schlicht drum bitten, von Ihrer doch wirklich peinlichen Forderung Abstand zu nehmen.

Diesen Brief werde ich unter http://www.zslschweiz.ch ins Internet stellen, unter „Daniela’s Blog“. Ich sichere Ihnen zu, dass ich auch Ihr Antwortschreiben wortgetreu dort einfügen werde.

Mit freundlichen Grüssen…………………………


Na, da bin ich ja neugierig. Ich melde mich hoffentlich bald wieder!

3.10.07

Pater Noster

Es ist die Jahreszeit chronologisch fortgeschrittener Frauenspersonen (politisch unhaltbar unkorrekt als Altweibersommer bekannt), die mich noch einmal auf den Balkon treibt mit meinem mittlerweile unentbehrlichen Laptop. Schreiben will ich, um die Unsäglichkeit meiner Steuererklärung erträglich zu halten.

Ich komm aus den Ferien. Doch bevor jetzt jemand auf die Idee kommen könnte, mich der Erholung zu bezichtigen, muss ich vorwegnehmen: Da war einer. Ein Vater. So ein Vater. So ein Vater eines (körper-) behinderten Sohnes, aufopfernd bis zum Umfallen, wissend-wie-es-geht bis zur Heiligkeit, freundlich und ignorant bis zum Abwinken, kurz, dreiunddreissigmal so behindert wie –

Auch wollte er ein Schlitzohr sein und brachte es doch mangels Charme und Stil gerade mal zum Betrüger.

Er frass einen Narren an mir. Denn wer nicht hinschaut, meint tatsächlich, die Blondine da sei wenn nicht dumm, dann doch huschelig, und schutzbedürftig allemal, selbst durch einen schon bissl angedörrten Testosteronkomplex.

Es war nun mal so, ich war in diese Situation geraten, Trugschlüsse und Fehlinterpretationen liessen mich glauben, das sei ein guter Ort zum Erholen, ein kleiner Resort gerannt by einem Mann mit Behinderung und dessen Eltern. Die Mutter sah ich zum Glück nur einmal und nur flüchtig. Aber Daddy! Er war es, der für Ausflüge an kulturelle Stätten zuständig war. Anstand verbat mir, einfach ein Taxi zu nehmen und weil ich für griechische Mosaiken nun mal mehr übrig habe als für tagelanges Rumhängen am Pool, war mein Ducken unter Daddys Fittiche besiegelt. Vielleicht eben doch b&b*, aber immerhin höflich…

Der Ausflugsvan war mit Hebebühne ausgestattet, also mit einem Hilfsmittel, durch dessen gekonnte Bedienung little big Dad glänzen konnte. Sein überwiegend gebrauchter Ausruf dabei war slowly, mit griechischem Akzent slooli. Dieser überquellende englische Wortschatz verlor sich jedoch in einem gequälten Stöhnen, sobald ich ein paar Zentimeter zu weit nach links oder rechts manövrierte. Was freilich dauernd geschah. Im Van wurde mein Rollstuhl danach allerdings fachgerecht festgezurrt und ich war nun dem Herrn ausgeliefert, der einfach als Essenz aller Mannesherrlichkeit zur Welt gekommen war und mich für ein 23jähriges (!!) Chick hielt, dem man sagen muss schau da ist das Meer wenn da das Meer ist und das keinesfalls bemerken wird, welches Unglück, welche entsetzliche Traurigkeit in seiner Seele wohnt und dass sein Gebaren nichts als ein „unauffälliges“ Überspielen dieser Kalamität ist. Er sass im Rollstuhl.

Was für einer Wesenheit kommt es in den Sinn, rollstuhlgerechte Ausflugswagen zu konstruieren, in denen die Menschen nichts sehen, weil das Dach so weit runter reicht? Spannend, so ein Mittelstreifen. Da hätten wir’s wieder mal: rollstuhlgerecht, aber nicht den Menschen gerecht, die im Rollstuhl sitzen bzw. sich dauernd zusammenkauern müssen, wenn sie etwas sehen wollen. Aber etwas sehen brauchen sottige Menschen auch nicht, die sollen froh sein, dass man überhaupt an sie denkt und sie von A nach B transportiert. Die Landschaft geniessen sollen die Validen. Schliesslich sind auch nur die imstande, Gesehenes im Hirndl richtig zu prozessieren, gälledsi. Wie auch immer, Der Papa wird’s schon richten / Des g’hört zu seinen Pflichten / Dazu ist er ja da… - Slooli, bitte, slooli.

Tja, er mochte mich besonders und wollte mich besonders gut vor Ungemach bewahren und sprach besonders eindrücklich die Worte you can not do that zu mir, als ich mal zum Strand fahren wollte. Allein. Um mal Zeit zu haben, die Gerüche zu schnuppern, die eigenartigen grünen Früchte an den unidentifizierbaren Bäumen zu betasten, um den Wind zu spüren und die Richtung zu erfühlen, aus der er kommt, um ohne ungeduldige–Blicke–Druck das Spiel der sich brechenden Wellen anzusehen… Der herrlichste aller Herren wusste, was gut ist für mich und dass ich heute Abend müde sein würde und ich armes Schwein kann nur schlecht und leise sprechen, konnte nur Protestquietschen, vielleicht bin ich auch glückliches Schwein, weil Donnern und Augenauskratzen mich am Ende noch hinter Gitter bringen würde. Vorausgesetzt, es gibt da eine rollstuhlgängige Toilette. Und, ah ja! – Könnte man den persönlichen Assistenten eigentlich ins Gefängnis mitnehmen…?

Während dieser Ferienort als der einzige des Landes hochgepriesen wird, der vollständig rollstuhlgerecht sei und als solcher in die ganze Welt hinaus posaunt wird, kommt mir einfach nur in den Sinn, dass das Waschbecken nicht unterfahrbar war. Jaja, Mannsein ist eben auch eine Behinderung… Das Badezimmer wurde garantiert nicht von einer Frau entworfen, die vielleicht auch mal näher an den Spiegel fährt, um sich schön zu machen. Und genau da haben wir den Hund: das Wörtchen schön. Immer geht es nur um die Rollstühle, denen Gerechtigkeit geschaffen wird, Stichwörter Mechanik, Funktionalität, Notwendigkeit. Doch die Menschen in diesen Stühlen? Und, lassen Sie es mich einfach mal vermuten, diejenige Hälfte, die einem bekannten Buch gemäss von der Venus kommen soll? Ach, Schönheit, Gemütlichkeit, Behaglichkeit – das sind Dinge, die von derjenigen Hälfte, die vom Mars kommt, als gegeben angesehen wird – und diese herrliche Hälfte übersieht, dass Frauen solche Dinge erst schaffen. – Freilich war das jetzt eine Verallgemeinerung usw. usw.

Little big daddy berechnete mir glatte 125.- zuviel für den Transfer vom Flughafen zum Ferienort. Das bemerkte ich, weil der „Zufall“ mich genau an dasjenige Fenster setzte, an dem der Kleber mit den Tarifen klebte. Es war in aller Herrgottsfrühe, dass wir an den Flughafen mussten, und der Transfer würde zwei Stunden dauern. So hatte ich vörig Zeit, ein mentales excel-sheet zu erstellen, Tag- und Nachttarif mit der Kilometerzahl zu multiplizieren und alles zu addieren. Ob man wohl mit einem reichen Mädel aus der reichen Schweiz gerechnet hatte? Dem man halt einen Phantasiepreis unterjubeln kann…? – Ach, sie wissen ja nicht, wie es denjenigen Menschen mit Behinderung in der Schweiz ergeht, die mit einem Assistenzbudget rumhampeln! Reichsein ist also woanders. Bleibt die Frage, ob man es mir im Pilotprojäckt danken wird, dass ich einen versuchten Betrug abwehrte, oder ob man den nunmehr regulären Preis für den Transfer nicht als dem Budget belastbar taxiert, weil das Transportunternehmen seinen Sitz nicht in der Schweiz hat.

Sooooooooooooooiiiifzz.

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* blond und blöd