28.6.06

Jetzt hab ich also auch einen.
Blog.

Dennoch werde ich nie den Blogsatz verwenden, sondern nur linksbündig schreiben.

Meinen Lieblingssatz kann ich heute schon aufschreiben. Kafka hat gekotzt. Wer nicht weiss, dass Kafka der Name meines Katers ist, dürfte sich über diese seltsame Aussage wundern. Vielleicht ist es gar nicht unpassend, ein so unpässliches Ereignis an einem so gewichtigen Namen aufzuhängen – es zeigt die Absurdität zusammenwohnender Dimensionen auf. Weil heute keine Assistentin kommt und die Pizza gleich auf dem Teppich vor meinem Bett lag,
fuhr ich mit meinem Rolli in die Küche, um Papier zu holen,

dann ins Schlafzimmer, um den Brei zu entfernen,

ich bück mich, bück mich, halt mich, balanciere,
fahr ins Bad, der Mist fällt neben die Schüssel, ich bück mich, werfe erneut,

aha!
mach einen Lumpen feucht, fahr ins Schlafzimmer,

bück mich, tu so als ob ich putze,

morgen kommt Sara.

Mein Rücken tut weh.

Lohnabrechnungen, Salärüberweisungen, Assistenzmonatsabrechnung, heute ist Sonntag.

Eigentlich wollt ich mich heute nur kurz vorstellen, aber wie quetscht man zweiundvierzig Jahre in zehn oder so Sätze?

Eins: Geboren bei Wien mit Eltern aus Osteuropa, aufgewachsen im Nicht-EU-Herzen des Kontinents fühl ich mich in Europa zu Hause.

Zwei: Der Schweiz verdanke ich eine wunderbare Schul- und Universitätsausbildung sowie unermessliche Demütigungen bei fortschreitender Krankheit.

Drei: Hinter Allem stecken aber Menschen. Freundliche, offene, warmherzige, hilfsbereite und engstirnige, abweisende, verständnislose, unfähige.

Vier: Ich liebe Bücher, das Schreiben, das Lesen und Verstehen und Abstrahieren. Ich liebe Tiere, je pelziger und/oder runder, desto mehr. Ich liebe Stille gleich wie anonymen Lärm. Sonne, Gewitter. Bewegung. Wasser. Noch viel.

Fünf: Ich hasse Autorität, die lediglich einer (hierarchischen) Position zu verdanken ist, weil sie meist so läppisch ausgeübt wird.

Sechs: Ich fürchte Gewalt, doch wenn sie mit Satz Fünf kombiniert ist, was sie sehr oft ist, kann ich doch letztendlich nur lachen.

Sieben: Autorität hat ein Mensch, der seine eigne Sprache gefunden hat.

Acht: Ich mag alle Musik ausser Country, Techno und Freejazz.

Neun: Ich war vier Jahre lang Herausgeberin einer englischsprachigen, europäischen Zeitschrift. Die Organisation dahinter ist die europäische Dachorganisation nationaler Ataxie-Vereinigungen.

Zehn: Meine Krankheit ist – wie manche andere Behinderungen auch – der ultimative Horror für alle noch Gesunden. Dennoch leide ich unter den Symptomen weit weniger als unter der Ratlosigkeit der Menschen, ihrem Unvermögen, sich in meine Lage zu versetzen, ihrer vermeintlich so tollen Schnelligkeit, allen Arten von Respektlosigkeit und Bevormundung, dem meisten Gutgemeinten, und freilich: Satz Fünf (IV, Krankenkasse und andere soziale Zerrichtungen, die im Gesundheitswesen rumwetzen).

Elf: Mit Assistenz lebe ich schon seit 2004. Dass ich das erst so am Schluss erwähne, ist, weil sie der grundlegendste Zustand sein sollte, sollte, sollte, auf dem eine Persönlichkeit sich entwickeln kann. Über die ungezählten Steine, die mir so weit unten an der Lebensbasis in den Weg gelegt werden, gibt’s noch viel zu schreiben. Alles zu seiner Zeit.

Mein Rücken tut weh.

Vor über einem halben Jahr beantragte ich eine Erhöhung meiner Hilflosenentschädigung. Hallohallo… Wer da im Ländli?

Hopp Schwiitz, in der Tat.