20.9.08

Unendliche Geschichte – Teil III:

Himmel, Albis, Zwirn

Es ist nicht zum zu Ende kommen mit der Geschichte vom Rollstuhl, den ich seit Januar 2008 bekommend bin. Diesmal lässt die Metapher aber Sternchen vor meinen Augen tanzen: Der September ist der neunte Monat! Der Bock Otto wird eine Waage! Was für eine Geburt erwartet mich? Wird die Orthopädie doch noch einen weichen Kaiserschnitt hinzaubern? Wie lange muss ich mich noch auf dem von Zangen deformierten Sitzkissen herumplagen? Und was wird die IV mit der sich so lästig und hartnäckig wehrenden D.I. anfangen? Denn ich bin ein Staatsfeind. Jaahaa! Eine Landesverräterin. Wer es noch nicht wusste: Auf hinterhältige Art und Weise sucht die D.I die sich durch die 5. IV-Revision gesundstossende Scheininvalidenversicherung (Invalidenscheinversicherung?) abzuzocken mit ihrem Otto Zock bzw. den Sitz- und Rückenschalen drauf. Sie will sich ungehörig bereichern und dem helvetischen Sozialwerk, auf das jeder anständige Bürger fraglos stolz zu sein hat, böswillig Schaden zufügen und nicht mithelfen, das Milliardendefizit des helvetischen Sozialwerks, auf das jeder anständige Bürger gefälligst stolz zu sein hat, effizient zu stopfen. In verwerflichster Manier erhebt sie nämlich wiederholt Einspruch gegen eine Verfügung, die anweist, Sitz- und Rückenschale der verbrecherischen Kranken seien nur zu rund drei Vierteln zu vergüten, der Restviertel sei von der heimtückischen DI selbst zu tragen. Das tönt nach eh nicht viel, ein Viertel, und ja, es ist auch mickrig, aber die Finanzsituation einer Sottigen-wie-ich ist sowieso nicht unmickrig. Es sind, wie immer, Fragen der Perspektive und der Relation.

Einer der Special Agents für heilloses Burcheinander (SAHB), ein Pitbull also an der Leine der IV, war im Frühsommer mal in meiner bescheidenen Bleibe, redete viel und ganz freundlich und vertrieb mich für ein paar Minuten von meiner diamantbesetzten Sänfte, um das reiche Polster zu beschauen, kurz, er „tat ja nur seine Arbeit“. Honny soit qui mal y pense. Jedenfalls ist das Knurren und Pfotenwetzen des Special Agents M. Wczrk, also dieses vortrefflichen Kampfköters, einer der Gründe, weshalb ich noch immer meinen beschalten bockigen Rollotto bekommend bin – denn bis das Verfahren nicht beendet ist, kann ich die Akten nicht ad acta legen.

Und ewig schreibt die DI. Die Namen sind hier freilich geändert:



EINSCHREIBEN

IV-Stelle Zürich

8005 Zürich

Betrifft: VERFÜGUNG bla bla vom Juli 2008


33. August 2008


Sehr geehrter Herr Soundso,


die Einwände und Erläuterungen von meinem Orthopäden, Hr. A.B. von der Orthopädie XY in Z., haben Sie bereits erhalten. Sie unterstreichen in technischer Hinsicht die EINSPRACHE, die ich mit diesem Schreiben noch einmal gegen die Verfügung der IV erhebe.

Bitte lassen Sie mich erwähnen, dass in den knapp 20 Minuten, in denen sich Herr M. Wczrk von der SAHB in meiner Wohnung aufhielt, sein Gesprächspartner überwiegend mein ebenfalls rumänischer Assistent war und die beiden sich einvernehmlichst über ihr Heimatland unterhielten. Einige Minuten waren dem Pilotprojekt „Assistenzbudget“ gewidmet, bevor dann etwa fünf Minuten lang meine Sitzorthesen begutachtet wurden, die sich zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht im definitiven, bleibenden Zustand befanden, sondern noch in der provisorischen Phase meines Ausprobierens. Mein Assistent, Medizinstudent im vierten Ausbildungsjahr, wunderte sich über den selbstgefälligen Schnellstablauf dieser „Inspektion“ und bedauert schon längst den in praktischer Hinsicht ganz ungerechtfertigten Entscheid der IV, der mir als Betroffener und weiss der Himmel am wenigsten Verantwortlichen in diesem traurigen Finanzkarussell so viel Kummer bereitet.

Hr. A.B. hat Stunde um Stunde um Stunde an meinen Orthesen vollkommen fachgerecht (wie seit vielen Jahren) gearbeitet und an mir persönlich monatelang eine um die andere individuelle Anpassung vorgenommen. Es besteht überhaupt kein Zweifel, welchem der beiden Herren und wessen Beurteilung mehr Bedeutung zugeschrieben werden soll.

Ich bitte Sie höflich und aufrichtig um Beendigung dieser eigenartigen Geschichte, die zwar auf einem verständlichen, doch in diesem Zusammenhang gänzlich deplatzierten finanziellen Abschiebeversuch der IV beruht (Abschieben der Kosten auf mich). Die rund Fr. 1700, welche die IV einzusparen gedenkt, sind mehr als meine monatliche Rente. Herr Wczrk wird sich stolz ein Schokoladeeis am Stiel kaufen können und die IV, ja, ist damit gewiss aus dem milliardenschweren Finanzdefizit raus. Bloss, wie ich den Betrag berappen soll…? Das Goldmariechen heisst Marie, nicht D.I. …

Ich BRAUCHE diese Orthesen, und zwar genau so, wie sie sind. Ist es denn nicht Aufgabe der IV, Menschen wie mich weitestmöglich zu unterstützen? Das Ganze macht mich im Fall total fertig.


Mit freundlichen Grüssen,


die Sottige selbst


Beim Verfassen dieses dritten Teils meiner Septemberquadrologie, gut vierzehn Tage nach Aufgabe dieses Schreibens, stand eine Antwort noch aus. Vermutlich werde ich aber in wenigen Wochen schon eine Eingangsbestätigung erhalten.

Der vierte und vorerst letzte Teil der unendlichen Geschichte soll sich auf den Titel der ersten Folge beziehen und unter die Lupe nehmen, was es mit einer Kommunikation am Albis für eine Bewandtnis hat. Das ist nämlich der andere Grund, weshalb das Bekommen des Zottelschocks, das im Januar des Jahres 2008 im dritten Millenium abendländischer Zeitrechnung begann, noch immer nicht abgeschlossen ist.

(Wird also noch einmal fortgesetzt…)