11.9.08

Fortsetzung: Unendliche Geschichte – Teil II:

Sturz ins Unbenennbare

Putzfrauen. Also das ist so: Denken Sie sich Ihren kleinsten kohärenten Bewusstseinszustand und dividieren Sie diese graue Grösse durch 100. Verflüssigen Sie die Masse und lassen Sie sie durch einen Umgänglichkeitsfilter sickern. Das Ergebnis wird Ihnen möglicherweise von feeeeeeeern den IQ einer Putzfrau andeuten. – Seit April nun schlage ich mich mit Kandidatinnen rum. Dabei war die mit dem osteuropäischen Akzent immerhin noch zu einem wirklich lustigen Witz gut, denn das eigenartige, kehlige Geröchel erwies sich als unschuldigster Walliser Dialekt. Dass sie aber dachte, nach viel schmeichelhafter Putzerei und putziger Schmeichelei könnte ich mich doch mit Schwarzarbeit ihrerseits anfreunden? Auch betrachtete Sie mich als Bancomat, der per SMS aktiviert werden kann und auf die Schnelle einen schwarzen Hunderter locker macht. Well well well. Dafür lerne ich haufenweise Frauen aus fremden Kulturen kennen und kann meine Spanischfetzen und mein arg geschrumpftes Italienisch anbringen. Che razza di servitú in questa casa!!

Zurück zum Otto Cock, den ich seit Januar bekommend bin.

Um es zu verdeutlichen (denn einige Leser verstehen es nicht): Den Rolli plus e-fix plus Sitz- und Rückenschalen habe ich seit April, erst im rohesten Zustand, dann nur noch roh und alle paar Wochen bissl aufbereiteter – nur in der Tat noch immer nicht fertig…

Die Verfügung der IV für den Oberpflock (diejenige für die Orthesen wird separat kommen) deckt einen bissl kleineren Betrag als den in der Offerte der Orthoplädie plädierten. Das merk ich nicht einmal. Welcher

M E N S C H

käme denn schon auf die Idee, dass mir irgendwas an meinem Rolli nicht zugestanden würde? Für die goldbeschlagenen Kotflügel und die mit eingewobenen Perlen bestückte Seidenbespannung meines von unsäglichem Neid umwölkten Throns lass ich meine Assistenten umso härter arbeiten. Aber die IV, die, ja die spaaahrt. Nämlich. Jawoll. Pflichtbewusst. Gezielt. Effektiv!

V E R N Ü N F T I G!

- Und so werden die Schiebegriffe nicht vergütet. Weil der Lottoblock nämlich einen Elektroantrieb hat. Jawoll. So entscheiden pflichtbewusste Menschen, die in einer effektiv arbeitenden Behörde vernünftige Überlegungen anstellen.

Eine Freundin meinte kürzlich, es sei so still um mich geworden. Das ist schlicht die Folge von solchen alle Phantasie und alles Leben ausradierenden Idiotien, die nichts, nichts, NICHTS Erfreuliches bewirken. Nicht UM mich ist es stiller geworden, sondern IN mir, als Spiegel der vollendeten Miesepeterei einer No-fun-organization, die wiederum Spiegel der helvetischen Verzückung ist.

Mein Handy geht kaputt. Das ist jetzt aber wirklich nimmer lustig, denn mein Fixnetztelefon liegt ja noch immer brach und ich kann keine Hilfe mehr rufen! So kauf ich bereits am nächsten Tag so ein elektronisches Schwedentörtchen. Zur Gebrauchsanleitung des Cablecommaten gesellt sich eine vom neuen Handy. Dort speichere ich als Erstes die Nummern meiner Nachtassistentin und meiner Nachbarin.

Übrigens werde ich langsam nachdenklich. Welch eine kaputte Serie! Dafür scheint sich mein Rücken zu stabilisieren. Seit Wochen habe ich keine Krämpfe mehr, die Umstellungsschmerzen wegen der neuen Sitzposition gehen zurück und die Akupunktur wirkt echt Wunder. Eine konstante Medikation von Muskelrelaxantien kann von einer gelegentlichen abgelöst werden. Die Haschischmilch trink ich aber weiterhin, denn die schmeckt so gut.

Mein Laptop geht kaputt. Volltot. Reanimierung ausgeschlossen.

Die Löhne werden zu spät ausbezahlt, Arbeitsrapporte auf Papyrus gekritzelt, Lohnabrechnungen in Stein gemeisselt. Ein neuer ist teuer (das reimt sich ja!). ToshibaSonyMacHP? InterDiscountManorBahnhofstrasse. Zu Gebrauchsanleitung von Cablecommat und Schwedentörtli gesellen sich Stapel von Installations-CDs, Handbüchern und Quickstartanleitungen. Wieviel Zeit man dann verbringt mit Hintergrundanpassung und Sicherung einstellen und Vista lernen und der Installation von allem, was unter XP lief und jetzt aber nur noch stolpert und Synchronisieren mit Handy und und und wissen alle von der Ratio geküssten Menschen, also alle ausser die, die glauben, ein Rolli mit kaputtem Elektroantrieb müsse nie geschoben werden.

Sogar meine Wanduhr bleibt stehen.

Aber auch das ist egal. Der ganze Ärger zerfällt zu einem belanglosen Nichts. Ich muss Kafka einschläfern lassen. Der kleine Kerl ist hoffnungslos krank. Stundenlang vergrab ich mein Gesicht im leblosen, noch immer nach Vanille duftenden Pelz, bis der Kurier vom Krematorium meinen kleinen Prinzen abholt und mich einer neuen Ordnung überlässt. Einer ganz leeren.

Die Werte verschieben sich.

Kaputte Geräte, neue Geräte – nicht viel mehr als Zeitaufwand.

Die IV. Weniger wichtig als der Name kurz ist. Wörter, Wörter, Wörter. Nichts als ein Haufen Ausserdinglichkeit. Betrifft nicht die Seele. Keine Freude, keine Lebendigkeit. Noch nicht einmal Vernunft. Ein Hilfsmittel, eine Krücke. Spiegel der helvetischen Gesellschaft: Das, was man nicht sehen will, aber doch unterstützen muss, allerdings auch nicht wieder so sehr. In der Dreifaltigkeit nur gerade Körper, im Spiegel aber (ironischerweise) Geist und Seele.

Ach geht mir doch weg mit eurem leichenmodrigen Geiz. Liebe Menschen werden meinen Rollstuhl auch ohne eure Griffe schieben.

(Wird fortgesetzt…)