11.7.06

Eine sehr, sehr gutmütige Frage

Heute Morgen schaute ich, wie jeden Tag, in meine e-Mail und fand Post von meiner Freundin Katja aus Österreich. Katjas Sohn ist seit rund einem Jahr diagnostizierter und genetisch bewiesener Teilnehmer im erlauchten Friedreich Ataxia–Kreis, dem ultimativen Horror-Ringelrum. Sie hatte meine Adresse im Internet gefunden, als ich für die euro-ATAXIA noch die Herausgeberin des Newsletter gab. Von mir erhoffte sie sich Infos, bissl kompetenter als das wichtiguerische Abgewimmle der so genannten Fachleute. Na na, es gibt sie schon, die Fachleute, so ist es ja nicht… Jedenfalls sind wir seitdem Freundinnen. Karl ist sechzehn und nimmt an einer klinischen Studie mit EPO, dem Dopingmittel der Radfahrer!, teil. Dazu fährt Katja ihn dauernd von Wien nach Innsbruck. Ich versuch ebenfalls, da in eine Folgestudie rein zu kommen, aber… so ein altes Guezli wie mich? Würden die mich nehmen? Und wer fährt mich nach Innsbruck?? Und wer würde das bezahlen??? Assistenzbudget, Pauschale, IV-Rente, Ergänzungsleistungen????

UND DANN schrieb Katja noch das:

was sind das eigentlich für schwierigkeiten mit rente und so, von denen du immer schreibst. ist den behörden nicht klar worum es geht? ich dachte, dass es in der schweiz etwas besser ist als in österreich ...

Nun, letzte Woche hab ich viele Stunden lang an einer Liste rumgebastelt, die den SVAlern klar machen könnte, dass ich meine Pauschale nicht für Villa, Yacht und Privathelikopter verbrate, sondern für Medikamente, Therapieselbstbehalte und Inkontinenzeinlagen. Das Assistenzbudgte selbst reicht haarscharf für die Assistenz (von der ich mehr brauchen würde, aber ich kann’s ja nicht zahlen), und nach Abzug der Pauschale bleibt unter dem Strich ein beträchtliches monatliches Minus. Freilich hab ich schon längst jenste Hebel in Bewegung gesetzt, um das Minus klein(er) zu kriegen, und Fortuna belohnte meine Mühe ihrem Charakter gemäss. Die IV hat sich nie um meine Finanzen geschert, weshalb sollte ich ihr jetzt meine Lorbeeren zum Ausruhen geben?

Wenn Katja mich nun also solcherart fragt, antworte ich geradeaus: NEIN. Die wissen wirklich nicht, worum es geht. Dass irgendwie jeder glaubt, in der Schweiz sei es besser als bei sich, ist wohl lediglich ein evolutionsbedingtes Phänomen der Psyche (nirgendwo sonst kann es so mies sein wie bei einem selbst). Die Schweiz wird bekanntlich immer nur mit den festen Bestandteilen des Käses in Verbindung gebracht. Doch: so viele Löcher überall... Im Leben eines behinderten Menschen gibt es doch nicht nur Assistenz. Mit Assistenz sind nicht einfach sämtliche Probleme fort geblasen. Noch nicht einmal die finanziellen! Der Rest ist Schweigen…

Wahrscheinlich kommt jetzt dann der mit der Dankbarkeit. Ich dürfe doch an diesem Projekt teilnehmen, ob es denn jetzt nicht viel besser sei? – Ja, glaub schon. Aber ich hab nicht wirklich weniger Papierkrieg. Muss nicht erheblich weniger oft fragwürdige Behördenmenschenhürden überspringen. Und vor drei Jahren war ich schlicht noch weit weniger krank als jetzt. Vor drei Jahren kam die Spitex dreimal pro Woche für wenige Stunden, und ja, der Himmel weiss es!, war das eine Katastrophe. Ich kann mir vorstellen, will es aber nicht müssen, wie es ist, wenn die Spitex täglich in meine Wohnung und auf meine Privatsphäre tritt. Ich erlebte das ansatzweise, und es genügte vollauf, dass ich mich zur Urform des Lebens mit Assistenz entschloss, dem EL-Flick.

Vor vier Jahren schrieb ich mein Liz. Auf Englisch. Über Anfänge, genauer: Textanfänge. Das ging tief. War Philosophie. Was hatte ich da für Gedankengänge. Es war ein Fliegen, wie im Gedicht, Fliegen über Lebensfragmenten. – Heute sammle ich für Frau Sitzli von der SVA Quittungen für Tena und Secure. Was soll daran jetzt besser sein…?

Ich will aber nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Im Übrigen zahlte der Kanton das Stipendium, nicht die IV, obschon sie meine Klage erstinstanzlich verloren hatte. Doch als die dann fäng Jahre später den Fall erneut aufrollte, war ich schon am Liz und hatte für die stümperhaften Nachfragen keine Nerven übrig. Umgeschult wird auf Buchhalterin, auf KVlerin, aber auf Anglistin? Goot’s no? Eine Behinderte muss nicht meinen, auf Staatskosten studieren zu können. Einen derart überflüssigen Luxus soll sie selber irgendwie berappen. Gälled Si.

EPO? Ich muss mich glaub wirklich dopen. Anders ist der Mount SVA nicht zu meistern. Wir werden noch sehen, wer Sieger im Zeitfahren wird.

7 Kommentare:

Anonymous Anonym sagte...

Wunderschön geschrieben!! Hör bloss nicht auf!!

12 Juli, 2006 14:30  
Anonymous Anonym sagte...

Wie immer kann ich mich nur ab Deinem Schreibstil und dem netten Sarkasmus freuen ;-)
Ich freu mich schon auf mehr!

20 Juli, 2006 09:48  
Anonymous Anonym sagte...

Hallo Daniela
die Geschichte vom Alten mit der Krücke bricht so plötzlich ab - dabei hat sie so verheissungsvoll begonnen - wann geht es damit weiter? Du siehst - wir können es nicht erwarten...
Lieber Gruss
Konrad

25 Juli, 2006 13:31  
Blogger Daniela's Blog sagte...

Hei Konrad - späte, aber doche Antwort. Die Software ist eben eine Saftware und wenn man den explorer hat, wirz eben problematisch. Aber es sollte mittlerweile gehen. Wie waren die Stones?

05 August, 2006 17:28  
Blogger Daniela's Blog sagte...

Danke, Shlomit!! Das sind wunderschöne Blumen, an denen ich gerne rieche. Ich werd mir alle Mühe geben...

05 August, 2006 18:01  
Blogger Daniela's Blog sagte...

... Und Du, Zuzu... Knutsch!

05 August, 2006 18:02  
Anonymous Anonym sagte...

@Daniela: Was für eine Frage: DIE STONES waren natürlich richtig saumässig gut. Jumpin' jack Flash zum Einstieg, und schon beim ersten harten Riff von Keith waren sie voll da, nach gerade mal einer halben Minute (wie der Tagi treffend schrieb...)und das während zwei Stunden auf einer gigantischen Bühne. Die älter gewordenen Männlein habe ich zwar in der Masse nicht sehen können, die Falten sind aber auch auf dem Bildschirm eindrücklich. :)))
Tolles Erlebnis, und bestimmt das Beste, was auf Düsen dorfs Militärflughafen je abgegangen ist....:)))

Liebe Grüsse an die holde Hüterin der goldenen Worte von Konrad

23 August, 2006 23:38  

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